Entscheidungen und Nutzungsrechte im Tropenwald

Von Glaucimara Silva (GIZ Brasil)

Der Amazonasregenwald birgt wichtige natürliche Ressourcen und bildet die Basis der lokalen Wirtschaft und regionalen Entwicklung. Eine nachhaltige wirtschaftliche Nutzung, die die Umwelt und die dort lebenden Völker respektiert und gleichzeitig Arbeitsplätze und Einkommen sichert, ist herausfordernd.

Gemeinsam mit der brasilianischen Regierung setzt sich die deutsche finanzielle Zusammenarbeit – vertreten durch die KfW-Förderbank – für den verantwortungsvollen Umgang mit den Wäldern und ihre adäquate Nutzung ein und fördert nachhaltige Wertschöpfungsketten.

Das Projekt Waldbewirtschaftung für nachhaltige Produkte aus dem Amazonas erleichtert es den Menschen vor Ort die Unterstützung des brasilianischen Forstdienstes (SFB) und des Chico-Mendes-Instituts für den Erhalt der Biodiversität (ICMBio) anzunehmen. So kann die Bevölkerung in die Bewirtschaftung der Nationalen Wälder (FLONAs) eingebunden werden, an den Sitzungen der Gemeinderäte in den Schutzgebieten teilnehmen und Ausbildungsangebote im Bereich der nachhaltigen Forstwirtschaft wahrnehmen. Den Fernkurs Saberes da Floresta beispielsweise haben bereits circa 20.000 Menschen absolviert, etwa die Hälfte von ihnen Frauen.

Die Initiative ermöglicht den Frauen aus der Region finanzielle Stabilität und Unabhängigkeit. Sie können unternehmerisch in ihrer Gemeinschaft agieren, ihr Wissen erweitern, ihre kulturellen und historischen Traditionen bewahren und politisch aktiv werden.

Projekt:
Unterstützung des Programms „Nachhaltiges Waldmanagement in Amazonien“

Politische Träger:
Brasilianischer Forstdienst (SFB)
Ministerium für Landwirtschaft, Viehzucht und Ernährung (MAPA)
Chico Mendes Institut für den Erhalt der Biodiversität (ICMBio)
Ministerium für Umwelt und Klimawandel (MMA)

Finanzieller Träger:
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), durchgeführt durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)

Trinkwasser und Abwasserentsorgung in ländlichen Regionen

Von Glaucimara Silva (GIZ Brasil)

Für viele Familien in den ländlichen Regionen des Bundesstaates Ceará ist fließendes Wasser nicht selbstverständlich. Lange Dürreperioden beinträchtigen nicht nur die Lebensqualität und die sozioökonomische Entwicklung vor Ort, sie gefährden auch die lokale Bevölkerung. Eine Partnerschaft der deutschen Bundesregierung mit der Landesregierung von Ceará, die vor über 20 Jahren begann, verbesserte die Lebensumstände in über 70 Ortschaften.

1996 entwickelte die CAGECE, Cearás Abwasserunternehmen, in Zusammenarbeit mit der Deutschen KfW-Förderbank ein innovatives System zur Abwasserentsorgung im ländlichen Raum. Mehr als 127.000 Menschen haben durch das Programm bereits von 64 Trinkwasserversorgungs- und Abwasserentsorgungssystemen profitiert.

Indem sie das grundlegende Menschenrecht auf Wasser stärken und die ländliche Bevölkerung unterstützen, bringen die sogenannten SISARs direkte Vorteile für die lokale Bevölkerung: Der Zugang zu Wasser vereinfacht den Alltag und verbessert die wirtschaftliche Entwicklung der Region. Bessere Hygienebedingungen und eine umfassende Hygieneerziehung wirken zudem der Verbreitung der Aedes Aegypti entgegen. Die Mücken können Dengue-, Chikungunya- und Zikaviren übertragen und gefährden besonders schwangere Frauen.

Projekt:
Ceará III Abwasserentsorgungsprogramm,

Politische Träger:
Secretaria das Cidades do Ceará, Cearás Wasser und Abwasser Unternehmen (CAGECE) und 8 SISARS

Finanzieller Träger:
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) / Europäische Union (mittels eines Beitrags an das Programa Águas do Sertão) durchgeführt durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)

Grüner Wasserstoff bringt Innovation in das Zentrum Brasiliens

Von Renata Peña (GIZ Brasil)

Seit mehr als 25 Jahren widmet der Chemieingenieur Christian Gonçalves Alonso seine Karriere der Entwicklung wissenschaftlicher Forschung mit dem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und Innovation. Sein Traum war es immer, ein Projekt zu entwickeln und umzusetzen, das allen Menschen Vorteile bringt und gleichzeitig die Natur schützt.

In den späten 1990er Jahren begann er im Rahmen seines Masterstudiums, sich mit Wasserstoff zu beschäftigen, dem häufigsten chemischen Element im Universum und im menschlichen Körper. Damals war noch nicht absehbar, welche zentrale Rolle Wasserstoff in seiner „grünen“ Version in naher Zukunft bei der Bewältigung der Klimakrise spielen würde. Aber die Arbeit von Forschern wie Christian ebnete diesen Weg.

Die Zeit verging, und die Bundesuniversität von Goiás (UFG) in Goiânia, der Stadt, in der Christian lebt, modernisierte sich mit der Installation einer Photovoltaikanlage, um den Campus mit erneuerbarer Energie zu versorgen. Im Jahr 2013 entwickelte der Professor ein innovatives Projekt zur Herstellung von Wasserstoff aus Abwässern der pharmazeutischen und agroindustriellen Industrie: „Ich wusste, dass das Projekt interessant war, weil ich bereits die Möglichkeit sah, grünen Wasserstoff – eine enorme Energiequelle ohne Kohlenstoffemissionen für die Atmosphäre – aus Abfällen herzustellen. Aber ich hatte keine Geräte, um die Ergebnisse zu analysieren, und es gab auch keine in der Region“, sagt der promovierte Professor, der sogar Proben seiner Forschungsprodukte per Flugzeug nach Paraná schickte, um sie dort analysieren zu lassen.

Die Ergebnisse der Forschung des Professors waren überraschend: Sie zeigten, dass die Abwässer in der Lage waren, eine sehr große Menge grünen Wasserstoffs zu erzeugen – die wichtigste Energiequelle für die Dekarbonisierung der Wirtschaft.

Brasilien-Deutschland-Verbindungen

Im Jahr 2019 hatte Christian bei einem Fachbesuch in Deutschland die Gelegenheit, sein Projekt Vertreterinen der GIZ vorzustellen. „Als wir das Projekt des Professors sahen, erkannten wir, dass es dort ein großes Potenzial für ein Pilotprojekt zur Herstellung und Anwendung von grünem Wasserstoff gibt, das ein skalierbares und interessantes Produkt für die Industrie erzeugen kann. Gleichzeitig brachte diese Initiative die Entwicklung von Forschung und Innovation ins Zentrum Brasiliens und regte die Ausbildung neuer Forscherinnen und Fachleute an, und zwar im Zentrum Brasiliens, in einer Region, in der es noch nicht so viel Schwung gab“, sagt Marcos Oliveira, einer der Koordinatoren des H2Brasil-Projekts, das sich auf die Ausweitung des Marktes für grünen Wasserstoff im Land konzentriert.

Einweihung von #GOH2

Die Zusammenarbeit des Forschers mit der GIZ hat sich gefestigt, und im Jahr 2022 eröffnete H2Brasil in Partnerschaft mit der UFG das GOH2, das Forschungslabor für erneuerbare Prozesse und Katalyse, das „Syncrude“ herstellen wird, ein synthetisches Öl, das im Gegensatz zu dem aus dem Boden gewonnenen Öl nachhaltig ist, da es aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt wird. Der Unterschied in der Forschung der UFG besteht darin, dass synthetisches Öl aus grünem Wasserstoff hergestellt wird, der aus agroindustriellen Abfällen gewonnen wird – in einer Region, die durch die Präsenz der Agrarindustrie und ihr nahestehender Industrien gekennzeichnet ist. Mit der Forschung der UFG wird man in der Lage sein, die von diesen Industrien produzierten Abfälle angemessen zu behandeln, mit einer geringeren Auswirkung auf die Umwelt. „Dieses Projekt ermöglicht es Zentralbrasilien, über grünen Wasserstoff zu sprechen. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie wichtig das ist, arbeiten nur wir mit H2V im gesamten Bundesstaat Goiás“, sagt der Professor. „Dank der von der Deutsch-Brasilianischen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung gespendeten Ausrüstung werden wir hier in Goiânia junge Forscher*innen ausbilden. Wir werden darüber hinaus junge Menschen auf den Arbeitsmarkt bringen, die bereit und qualifiziert sind, mit einer neuen Technologie zu arbeiten. Die Idee ist, dass GOH2 Bachelor- und Master-Studenten und Doktoranden ausbilden und die Talente an der UFG halten kann. Heute fördern wir mit unserem Projekt die Diskussion über grünen Wasserstoff in der gesamten Universität. Ohne die Infrastruktur, die die GIZ Brasilien uns zur Verfügung stellt, wäre das alles nicht möglich“, fügt er hinzu. Nachdem sich sein Traum erfüllt hat, arbeitet Christian nun daran, die Träume anderer junger Menschen wahr werden zu lassen: „Meine Aufgabe ist es nun, die Träume junger Menschen anzuregen und zu helfen, dass auch ihre Träume wahr werden können.“

Lernen Sie das H2Brasil-Projekt kennen und sehen Sie, wie die Einweihung des GOH2-Labors war.

Projekt: H2Brasil – Expansão do Hidrogênio Verde
Politische Träger: Ministerium für Bergbau und Energie (MME)
Finanzieller Träger: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Ilustração: Carmen San Thiago (Cajuí Comunicação)

Empowerment für handwerkliche Fischerinnen

Von Sandra Damiani (Sapopema Comunicação Socioambiental)

Mit Unterstützung der GIZ Brasilien und dem Partner Umweltministerium haben handwerkliche Fischerinnen, Muschelsammlerinnen und Extraktivistinnen ein Frauennetzwerk in der Region der Korallenküste im Bundesstaaten Alagoas und Pernambuco gegründet. Es handelt sich um eines der größten zusammenhängenden Korallenriffgebiete der Welt, in dem Tausende von Familien in mehr als 40 Gemeinden leben. Die Initiative wurde anfangs von 31 Frauen angeführt, die Extraktivismus im Küsten- und Meeresgebiet betreiben und an einem Seminar der GIZ über handwerkliche Fischerei teilgenommen hatten. Davon ausgehend bemühten sie sich, die Debatten über Menschenrechte anderen Frauen der Region näher zu bringen, die unter ähnlichen Bedingungen lebten: harte Arbeit, geringe Schulbildung, wenig Sichtbarkeit und der große Wunsch, ihre Gemeinschaften zu verändern.

Ilustração: Carmen San Thiago (Cajuí Comunicação)
Illustration: Carmen San Thiago (Cajuí Comunicação)

In wenigen Monaten haben sich circa 400 Frauen an der Festigung des Netzwerkes von Fischerfrauen der Korallenküste beteiligt und ihr Wissen über ihre Rechte, die Wertschätzung ihrer Identität und Kultur sowie ihre Zugehörigkeit zur traditionellen Bevölkerung verbessert. Die Organisation dieser Frauen hat die Eröffnung eines Online-Verkaufsraums mittels einer virtuellen Plattform ermöglicht, auf der die Fischerinnen ihre Fischprodukte verkaufen können. Sie hoffen, auch ihr Kunsthandwerk und gemeinschaftsbasierte Tourismusangebote vermarkten zu können. Es handelt sich dabei um traditionelle nachhaltige Tätigkeiten, die Lebensqualität sichern und zur Erhaltung der reichen lokalen Artenvielfalt an der Küste beitragen.

Projekt: Schutz und integriertes Management von Meeres- und Küstenbiodiversität – Projekt TerraMar
Politische Träger: Brasilianisches Umweltministerium (MMA)
Finanzieller Träger: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)

Ilustração: Carmen San Thiago (Cajuí Comunicação)

Frauen, die Freiheit fischen

Von Elisa Malta (GIZ Brasil)

Ilustração: Carmen San Thiago (Cajuí Comunicação)
Illustration: Carmen San Thiago (Cajuí Comunicação)

Bereits in ihrer Kindheit erlernte Isabel Chagas den Beruf, den sie bis heute ausübt. Als kleines Mädchen beobachtete und begleitete sie ihre Familie bei der Arbeit, die schon damals, ohne dass sie sich dessen bewusst war, die Tätigkeit ihres Lebens war. „Schon mit sechs Jahren half ich meine Mutter beim Fischen. Wir gingen in die Mangrove, um Schalentiere und Austern zu holen, und verkauften sie auf dem Markt; wir halfen den Erwachsenen bei allem“, sagt sie. Auch mit 54 Jahren lebt sie weiterhin von der Fischerei; Haupterwerbsquelle der Familie sind Fisch und Schalentiere. – Natália Santos, eines von sieben Geschwistern, begann schon früh, mit ihrem Vater zu fischen. Als Jugendliche arbeitete sie auch in der Küche, spürte aber, dass sie lieber fischt.

Isabel und Natália sind nur zwei der Fischerinnen, die ihren Lebensunterhalt in der Region Costa dos Corais („Korallenküste“) mit den verschiedenen Tätigkeiten im Rahmen der traditionellen Fischerei verdienen. Die meisten dieser Frauen widmen sich der Muschel- und Krabbenfischerei, dem Fischfang mit Angelruten oder Netzen sowie der Verarbeitung und dem Verkauf. Darüber hinaus sind sie für den Haushalt und die Kinderbetreuung zuständig. Viele dieser Frauen, die mit so vielen Aufgaben beschäftigt sind, um den Lebensunterhalt und das Wohlergehen ihrer Familien zu sichern, hatten zuvor keine Ahnung davon, dass sie in der Tat einen Beruf ausüben. „Ich arbeite in der Austernzucht. Früher habe ich diese Arbeit überhaupt nicht mit Fischerei in Verbindung gebracht und wusste auch gar nicht, dass Frauen in der Fischerei tätig sind. In meiner Vorstellung gab es nur Männer in diesem Beruf“, sagt die Fischerin Jaqueline dos Santos.

Traditionelle Fischerinnen und Fischer sind in Brasilien weitgehend unsichtbar und haben nur begrenzten Anteil an politischen Entscheidungsprozessen. Dies betrifft insbesondere die eigentlichen Fischerinnen, aber auch diejenigen, die Fisch verarbeiten oder verkaufen.

Auftakt zum Wandel – Mit der Teilnahme an einem Seminar des TerraMar-Projekts zur traditionellen Fischerei im Jahr 2018 begannen diese Frauen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Im Laufe dieses Treffens schlossen sie sich enger zusammen und beteiligten sich trotz der Überzahl der Männer aktiv an den Gruppendiskussionen. Das zunehmende Bewusstsein um die Zugehörigkeit zu einer Gruppe führte dazu, dass die Frauen TerraMar um aktive Unterstützung baten, dieses Gemeinschaftsgefühl weiter zu stärken und auszubauen. An diesem Punkt begann die Geschichte des Fischerinnennetzwerkes der Korallenküste.

Mit Unterstützung der GIZ Brasilen wurden rund 400 Frauen in einen Bildungsprozess eingebunden, um das Wissen um ihre Rechte, die Wertschätzung ihrer Identität und Kultur und die Zugehörigkeit zur traditionellen Bevölkerung zu vertiefen. Sechs Monate lang nahmen sie an Seminaren, Workshops und Vorträgen teil, was die Frauen weiter zusammenschweißte und befähigte, ihre Rechte zu kennen und ihre Rolle in der Gemeinschaft besser zu verstehen. Ergebnisse dieses Lernprozesses lassen sich bereits erkennen; so hebt Natália hervor, welche Veränderungen dieser Prozess für die gesamte Gemeinschaft bewirkt hat: „Das Netzwerk hat uns stärker und selbstbewusster gemacht und uns Wissen über Umwelterziehung in der Fischerei vermittelt, was direkt dazu beiträgt, dass unsere Familien immer nachhaltiger wirtschaften.“

Der stetige Ausbau des Fischerinnennetzwerks brachte den Frauen auch viele Einsichten zu den Möglichkeiten des Mitwirkens, was wiederum die Aufrechterhaltung und Weiterent­wicklung des Netzwerkes selbst, aber auch andere Projekte zur Organisation und Stärkung von Frauen­kollektiven befördert.

Die Frauen fühlten sich zunehmend dazu befähigt, Freiräume zu besetzen. Heute positionieren sie sich und sind sich ihrer Bedeutung in der traditionellen Fischerei bewusst. Sie bewegen sich in diesen Räumen aber nicht nur zur Unterstützung ihrer Ehemänner als Fischer, sondern auch, weil sie selbst Fischerinnen sind. Sie haben Kraft gewonnen, um ihren Platz an dem ihnen zuvor versagten Ort der Rede einzunehmen.

Um mehr über die Geschichte des Fischerinnennetzwerks der Korallenküste zu erfahren, lesen Sie diese Publikation.

Projekt: Brasiliens Meeres- und Küstenbiodiversität schützen (TerraMar)
Politischer Träger: Ministério do Meio Ambiente (MMA – brasilianisches Umweltministerium)
Finanzieller Träger: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)

Es gibt uns! – Lernen Sie die „Plattform für traditionelle Gebiete“ kennen

Vielfältige ethnische Gruppen, Ökosysteme, Gebiete, Bräuche, Geschichten und Realitäten, aber trotzdem gemeinsame Wünsche. Traditionelle Völker und Gemeinschaften streben nach Anerkennung und Schutz ihrer Rechte.

Die „Plattform für traditionelle Gebiete“ bündelt Informationen über traditionelle Gebiete in Brasilien und fördert die Integration zwischen diesen Gemeinschaften, ihre Sichtbarkeit und ihre Mitwirkung bei der Gestaltung der gemeinschaftsbezogenen Fragen auf politischer Ebene.

Dies ist die Gelegenheit zu sagen: Es gibt uns!

Die Stadt ist die Lösung

Die Stadt ist alles zugleich. Hier machen wir einige unserer wertvollsten Erfahrungen, sehen uns aber auch vielen Problemen gegenüber, die uns aus der Fassung bringen. Alles ist eng miteinander verflochten und in rascher Bewegung, sodass wir uns manchmal fragen: Wie können wir das alles verbessern, um eines Tages die Stadt zu haben, die wir wollen? Städte sollen alles haben, was wir uns vorstellen, aber jede Stadt ist einzigartig, und das Gebiet, über das sie sich erstreckt, ebenfalls. Deshalb können wir oft nicht alles haben, was wir zeitgleich an ein und demselben Ort erwarten. Da liegt unsere große Herausforderung. Ob wir es wohl schaffen werden, Veränderungen voranzubringen und ein ausgeglicheneres und rücksichtsvolleres Verhältnis zu unserem Planeten zu erreichen? Das Video der GIZ Brasilien zum städtischen Wandel führt Sie direkt zum Kern dieser Fragen.

Der städtische Wandel ist eines der zentralen Themen der Brasilianisch-Deutschen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung. Lernen Sie die wichtigsten durch die GIZ Brasilien und ihre Partner auf diesem Gebiet umgesetzten Ansätze und Initiativen kennen.

Ökosysteme für den Menschen nachhaltig gestalten

Von João Gonçalves und dem ProAdapta-Team

Ilustração: Carmen San Thiago

Nur wer die Folgen extremer Klimaereignisse bereits aus nächster Nähe erlebt hat, weiß, welche Auswirkungen sie haben können und wie bedeutsam Maßnahmen zur Schadensminimierung sind. Dies ist der Fall für die BewohnerInnen des Berghügels Monte Serrat in der Küstenmetropole Santos, im südlichen Teil des Bundesstaates São Paulo gelegen, der seit jeher unter Erdrutschen leidet.

Der Gemeindevorsteher und Bewohner des Monte Serrat, Arquimedes de Souza, sagt, dass vor allem die Erdrutsche im Jahr 2020 beängstigend waren und dass er bis heute bei jedem Unwetter in Sorge um die Bewohner sei. Damals half er den Betroffenen, einschließlich seiner Schwester und seiner Tante, im Anschluss an das Unglück. Jedoch erinnert er sich auch an ähnliche Erlebnisse aus seiner Kindheit, als sich seine Familie und die ganze Gemeinde gegenseitig nach Erdrutschen unterstützten, so gut es eben ging. 

Die Erdrutsche des Jahres 2020, die Arquimedes noch frisch in Erinnerung sind, waren nicht nur die heftigsten der letzten 80 Jahre in Santos, sondern verursachten auch die größten Schäden in der Gemeinde. Die Heftigkeit dieser Ereignisse ist jedoch nur teilweise auf immer intensivere Regenfälle zurückzuführen. Denn gleichzeitig leidet die Gemeinde durch die zunehmende informelle Besiedlung seit vielen Jahren unter einer Verdrängung und Abholzung der einheimischen Vegetation, was langfristig zu einer gefährlichen Destabilisierung des abschüssigen Geländes führt.

In Gebieten wie dem Monte Serrat spielen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel eine Schlüsselrolle bei der Verringerung von Schäden und der Bewältigung sich ändernder klimatischer Gegebenheiten. So ist die Wiederherstellung der Vegetationsdecke als Maßnahme ökosystembasierter Anpassung an den Klimawandel (auf Englisch „ecosystem based adaptation“, abgekürzt „EbA“) in erdrutschgefährdeten Gebieten ein wichtiger Ansatz zur Reduzierung des existierenden Risikos. Durch EbA wird die Fähigkeit von Ökosystemen genutzt, sogenannte Ökosystemleistungen oder „grüne“ Infrastruktur zu erbringen, um Anfälligkeiten zu verringern. Somit kann EbA eine wichtige Ergänzung zu „grauen“ oder konventionellen Infrastrukturmaßnahmen sein. 

In Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung von Santos arbeitete das Projekt ProAdapta gemeinsam mit den Bewohnern des Monte Serrat an der Vorbereitung und Umsetzung von EbA-Maßnahmen. Durch Workshops und weitere Aktivitäten wurden die BewohnerInnen für das Thema sensibilisiert. In aktiver Zusammenarbeit wurden kollektiv wirksame Maßnahmen wie die Bepflanzung des Berghügels mit einheimischen und früchtetragenden Baumarten mit tiefem Wurzelwerk in den am stärksten von Erdrutschen bedrohten Gebieten entwickelt. Neben der Befestigung der Hänge bringt dieser Ansatz mehrere positive Nebeneffekte mit sich, wie z. B. die Reduzierung der Sonnenbestrahlung und damit einhergehender Hitze durch den von den Bäumen gespendeten Schatten und durch die Schaffung von Einkommensmöglichkeiten für die Gemeinde durch Obstproduktion. Gleichzeitig trägt der Ansatz zur Verbesserung des Landschaftsbildes bei und bietet unterschiedliche Möglichkeiten der Freizeitgestaltung für die Bevölkerung. Die Aktion hat somit nicht nur zu neuen Bäumen, sondern auch zur Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls in der Gemeinde geführt, das in der von der Bevölkerung ins Leben gerufenen Kampagne „Wir kümmern uns um unseren Hügel!“ gipfelte.

„Was mich antreibt, auf dem Monte Serrat zu wohnen, ist der Wunsch um die Aufforstung der Hänge und das Pflegen der bestehenden Bäume. Zudem können wir die Flächen, das wir hier haben, durch Gemeinschaftsgärten und Obstbäume nutzen (…)!“, sagte Arquimedes.

Neben der Stärkung der lokalen Gemeinschaft dienen die auf dem Monte Serrat geförderten Maßnahmen auch der Förderung der Einkommensmöglichkeiten und der Geschlechtergerechtigkeit. Und dies geht bei weitem über eine gleichberechtigte Teilnahme von Männern und Frauen an den Planungssitzungen hinaus. So war zum Beispiel Cícera Juca de Oliveira Silva, seit dreißig Jahren Bewohnerin des Monte Serrat, für die Organisation der Verpflegung der Workshop-Teilnehmenden verantwortlich. Jeden Tag lief sie den Berg hinunter, um selbstgefertigte Snacks und Süßigkeiten in der Innenstadt von Santos zu verkaufen. Mit der Covid-19-Pandemie musste sie sich jedoch neu erfinden, und die Arbeit, die sie seit mehr als 15 Jahren geleistet hatte, stellte sie auf Auftragsarbeit um: „Es war eine Chance für die Menschen, die hier in der Gemeinde leben. Es gibt hier viele Leute, die sehr gute Produkte herstellen, aber die Leute schauen nach außerhalb, weil sie denken, dass es dort besseres gibt. Ich wünschte, die Menschen würden unsere Produkte mehr schätzen (…)“, sagt Cícera, die selbst in einer Hanglage lebt und deren Schwester bereits von Erdrutschen betroffen war: „2019 war es für meine Schwester sehr schwierig. Sie verlor ihr Haus und ihr gesamtes Hab und Gut. Nun sind auch wir gefährdet, obwohl mein Haus eigentlich sehr sicher ist, weil mein Mann es gebaut hat, und er hat es gut gemacht. Es müsste schon eine Menge Regen fallen, um das Haus zum Einsturz zu bringen! Kann das sein?“

Das Konzept der ökosystembasierten Anpassung (EbA) am Monte Serrat soll über die kommenden Jahre für die Rückkehr der Fauna, den Schutz der Hänge vor Erdrutschen und die Sicherheit der Bevölkerung sorgen. Mit Unterstützung der GIZ Brasilien werden die für den Monte Serrat beschlossenen Maßnahmen bereits in anderen Gemeinden und Stadtteilen mit ähnlichen Herausforderungen entlang der Südküste des Bundesstaates São Paulo nachgeahmt.

Projekt: ProAdapta – Unterstützung der brasilianischen Regierung bei der Umsetzung ihrer nationalen Agenda zur Anpassung an den Klimawandel
Partner: Brasilianisches Umweltministerium (MMA) und Stadtverwaltung von Santos
Auftraggeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)

Chance auf menschenwürdige Arbeit

Von Ascom MDR und Elisa Malta

Wegen seiner paradiesischen Strände ein von vielen Touristen aus ganz Brasilien gewähltes Reiseziel, betrieb die Stadt Itacaré im Bundesstaat Bahia über 30 Jahre lang eine Mülldeponie unter freiem Himmel, die in starkem Gegensatz zu den Schönheiten des Ortes stand. Durch ihre Lage mitten im Atlantischen Regenwald in keiner Weise für Abfallentsorgung geeignet, empfing die über fünf Hektar große Deponie Itacaré täglich etwa 30 Tonnen unbehandelten Müll. Die Anlage bedrohte die Artenvielfalt, die öffentliche Gesundheit und den lokalen Tourismus und führte zu Gewässerverschmutzung, Abholzung des Regenwaldes, erhöhter Emission von Treibhausgasen und Erosion.

Vor Ort gingen 22 Wertstoffsammler und ihre Familien unter unangemessenen Arbeitsbedingungen ihrem Lebensunterhalt nach, indem sie mitten auf der Deponie Wertstoffe sammelten. Adriana Santos, die seit ihrer Kindheit als Wertstoffsammlerin arbeitet, kennt diese Realität, die damit verbundenen Schwierigkeiten, die stetigen Gesundheitsgefahren und auch die Vorurteile der Gesellschaft nur zu gut. „Manchmal sind wir krank, aber auch dann müssen wir weiterarbeiten, bei Sonne wie bei Regen. Wir werden sehr verachtet, weil wir auf der Müllhalde arbeiten“, sagt sie. Auf der Müllhalde lernte sie ihren Ehemann José Emerson de Carvalho kennen. De Carvalho ist seit 23 Jahren Wertstoffsammler sowie Vorsitzender der Associação Vitória de Catadores de Recicláveis de Itacaré („Vereinigung Sieg der Wertstoffsammler von Itacaré“). Das Ehepaar gehört mit seinen Kindern zu den Familien, die die Schließung der Deponie begrüßt haben.

Die Deponie wurde im August 2022 als erste mitten im Atlantischen Regenwald errichtete Anlage nach der Verabschiedung des Novo Marco Legal do Saneamento, des „Neuen Ver- und Entsorgungsgesetzbuches“ geschlossen. Das Gesetz sieht die Stilllegung von insgesamt 3000 über das ganze Land verteilten, nicht für die Endlagerung von Abfällen geeigneten Standorten vor. Die Schließung der Deponie Itacaré wurde vom Ministério do Desenvolvimento Regional (MDR, „Ministerium für regionale Entwicklung“) und der GIZ Brasilien unterstützt. „Entlang der brasilianischen Küste gibt es eine Unzahl von Mülldeponien unter freiem Himmel. Mit dem Projekt zur Schließung dieser Anlagen treiben wir die Entgiftung der Meere in den betroffenen Regionen voran“, erklärt der Staatssekretär für Ver- und Entsorgung im MDR, Pedro Maranhão.

Um die Schließung der Deponie Itacaré zu ermöglichen und die festen Abfälle zukünftig einer angemessenen Behandlung zuführen zu können, wurden technische Untersuchungen, Schulungen und Seminare durchgeführt sowie die Öffentlichkeit sensibilisiert. Die Aktionen begannen 2021 und wurden ab 2022 vom Projekt ProteGEEr unterstützt. „Eine Deponie zu schließen bedeutet, über integrierte und nachhaltige Lösungen für die Abfallbehandlung nachzudenken, und dies kann nur mit politischem Willen, Engagement, technischer Unterstützung und dem Zusammenschluss vieler Personen erfolgen. Für die Zukunft gilt es, die Mülltrennung auszuweiten und das System finanziell nachhaltig zu gestalten“, hebt Projektleiterin Hélinah Cardoso hervor.

Die Verbesserung der sanitären Bedingungen trägt dazu bei, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren, natürliche Ressourcen zu erhalten, ökologische Geschäftsaktivitäten zu entwickeln sowie Arbeitsplätze und Einkommen zu schaffen. Parallel zur Schließung der Deponie wurden sowohl ein Abfallsortierzentrum als auch ein Öko-Geschäftszentrum eröffnet. Die Abfallsortieranlage, in der 25 Familien unter nun weitaus besseren Bedingungen arbeiten können, verfügt über Maschinen zur Wiederverwertung entsorgter Materialien, eine Digitalwaage und einen Glaszerkleinerer.

„Wir werden eine menschenwürdige Arbeit haben, mit einer gut ausgestatteten Halle. Das freut nicht nur mich, sondern uns alle“, berichtet de Carvalho. Hier liegen auch Chancen auf eine gerechtere Zukunft für die nachfolgenden Generationen: „Ich wollte nie, dass meine Kinder im Müll arbeiten, ich wollte immer das Beste für sie. Jetzt wird sich einiges ändern, für alle wird es viel besser“, freut sich Mutter Santos.

Projekt: Apoio à implementação da Política Nacional de Resíduos Sólidos considerando a proteção climática (ProteGEEr, „Unterstützung zur Umsetzung der nationalen Festabfallpolitik unter Berücksichtigung des Klimaschutzes“)
Partner: Ministério do Desenvolvimento Regional (MDR, „Ministerium für regionale Entwicklung“)
Förderung: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)

Naturbasierte Lösungen garantieren Ver- und Entsorgung für die Bevölkerung von Amajari im Bundesstaat Roraima

Von Andréa Mesquita

Es musste nur regnen, und erneut begannen die Schwierigkeiten in Amajari, im Norden Roraimas. Wie üblich gab es wieder Pfützen, Schlamm und sumpfiges Land, was die Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit einschränkte und das Abfließen der Wassermassen behinderte. Das Gelände ist flach, und infolge der häufigen und ergiebigen Regenfälle in dieser Region auch sumpfig. Obendrein verschärft sich die Lage jedes Mal, wenn die Sammelgruben aufgrund der Sättigung des Bodens überlaufen. Ein wahrhaftiger Albtraum, da die Stadt keine Kanalisation hat.

Diese Wirklichkeit ist jedoch dabei, sich für die etwas mehr als 13.000 Einwohner der an Venezuela grenzenden Kleinstadt zu ändern.

Mit Hilfe des Projeto de Apoio à Agenda Nacional de Desenvolvimento Urbano Sustentável no Brasil (ANDUS, „Projekt zur Unterstützung der Nationalen Agenda für nachhaltige Stadtentwicklung in Brasilien“) wurden naturbasierte Lösungen (NbLs) entwickelt, um die Grundstücke zu entwässern und der Stadt einen wirtschaftlichen und nachhaltigen Ausweg für die Abwasserentsorgung aufzuzeigen.

Amajari hat sich in diesem Zusammenhang für drei NbLs entschieden: einen Klärtank, drei Regengärten (beide am Sitz der Stadtverwaltung) und eine Kompostierungsanlage in einer städtischen Schule im Stadtteil Vila do Tepequém.

Für Núbia Lima, der Bürgermeisterin von Amajari, „wird dieses Projekt nicht nur in der Stadtverwaltung, sondern auch in unserer städtischen Schule und in unseren Amtsgebäuden umgesetzt; dies wird ein wichtiger Schritt dafür sein, dass die gesamte Stadt in ihren Wohnhäusern Klärtanks einführt“.

Die Regengärten auf dem Gelände der Stadtverwaltung wurden eingerichtet, da die Niederschläge das Regenwasserabflusssystem des Gebäudes immer wieder überlasteten und infolgedessen das Gelände überfluteten. Im Durchschnitt wird das Gebäude der Stadtverwaltung täglich von etwa fünfzig Personen benutzt, die nun direkt oder indirekt von der Maßnahme profitieren.

Auf der Suche nach Lösungen

Im Rahmen einer Partnerschaft mit der Regierung des Bundesstaates, dem Instituto Federal de Educação, Ciência e Tecnologia de Roraima (IFRR, „Bundesinstitut für Bildung, Wissenschaft und Technologie von Roraima“) – das auch mit einem Campus in Amajari vertreten ist –, den Universitäten in Roraima in Trägerschaft des Bundes und des Bundesstaates, der Fundação Nacional de Saúde (Funasa, „Nationale Gesundheitsstiftung“) und der Fundação Municipal de Turismo („Städtische Tourismusstiftung“), stellte das ANDUS-Team Beratung und Schulungen bereit, in denen die Menschen dahin gehend unterwiesen wurden, sowohl in öffentlichen Bereichen und Einrichtungen als auch in den Wohnvierteln auf Klärtanks umzustellen, um damit die Anzahl der bestehenden Sammelgruben zu verringern.

In Brasilien haben vier von zehn Städten keine Kanalisation. Amajari bestätigt diese Statistik. Etwa 39,7 % der brasilianischen Städte verfügen laut Daten der Pesquisa Nacional de Saneamento Básico (PNSB, „Nationale Ver- und Entsorgungsstudie“), die vom Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística (IBGE, „Brasilianisches Institut für Geografie und Statistik“) erstellt wurde, über keine Ver- und Entsorgungseinrichtungen. Darüber hinaus zeigt die Studie auf, dass die Ver- und Entsorgungseinrichtungen ungleichmäßig über die fünf großen, zu Statistikzwecken geschaffenen Regionen des Landes verteilt sind. Während in der Region Südosten seit 1989 mehr als 90 % der Städte über diese Einrichtungen verfügen, waren es im Norden im Jahre 2017 erst 16,2 %.

„Heute haben wir eine Abwasserlösung, die den Familien wie schon zuvor individuell Nutzen bringt, aber nun auch Nachhaltigkeit gewährleistet. Die Menschen der Stadt verstehen jetzt, dass es eine Lösung gibt; gleichzeitig studiert die Stadtverwaltung zusammen mit ihren Partnern, wie dies mittels eines tragfähigen und innovativen Pilotprojekts in öffentliche Politik umgesetzt werden kann, was der Realität in Amajari, welche der Realität verschiedener anderer Städte in Roraima entspricht, als Entwicklungsmodell dient“, sagt Cristiane Hellen Sousa, technische Beraterin der Stadtverwaltung von Amajari.

Der Klärtank oder „Bananenbaumtank“ ist ein geschlossenes System zur Behandlung von Schwarzwasser – wie das in Toiletten anfallende Schmutzwasser genannt wird. Dieses System erzeugt kein Abwasser und verhindert somit eine Verunreinigung des Bodens, der Oberflächengewässer und des Grundwassers. In diesem System werden menschliche Abfälle in Nährstoffe für Pflanzen umgewandelt; das Wasser verlässt das System nur durch Verdunstung und ist daher völlig rein.

Die Umstellung

Mit einem herkömmlichen Abwassersystem sind die meisten Städte nicht in der Lage, ihre Abfälle ordnungsgemäß zu behandeln, was die Ver- und Entsorgung kostspielig macht und keine wirkliche Lösung des Problems darstellt.

„Die Leute kommen zur Stadtverwaltung, um sich über unser Tankmodell zu informieren und sich die gepflanzten und bereits produzierenden Bananenbäume anzusehen; dabei erklären wir ihnen, wie das System eingerichtet wird und funktioniert. Wir betreiben viel Werbung für das Projekt, damit die Menschen es in ihren Wohnvierteln zu geringeren Kosten umsetzen können“, erklärt Beraterin Sousa.

Ihr zufolge „ist die erste Auswirkung dieser Lösungen die Innovation. Die ganze Stadt sowie verschiedene Wissenschaftler des Instituto Federal de Roraima, die mit uns an dem Prozess beteiligt waren, wurden auf eine Technologie aufmerksam, die bis dahin nicht zur Realität in Roraima gehörte. Zwar war der Kompostierungsprozess bereits bekannt und wird auch vielerorts angewandt; dagegen handelte es sich bei den Regengärten und den Klärtanks wirklich um Innovationen, die nun in der Stadt bekannt werden.“

Heute ist die Politik der Stadtverwaltung von Amajari auf naturbasierte Lösungen (NbLs) und die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) ausgerichtet. „Wir versuchen, die Diskussion der SDGs der Agenda 2030 in den Planungsprozess einzubringen, und wissen, dass wir in Bezug auf Schulungen, Sensibilisierung der öffentlichen Bediensteten und der Einwohner im Allgemeinen sowie der Führungskräfte und sonstigen Partner noch einen langen Weg zur Vorbereitung des Pilotprojekts vor uns haben“, sagt Sousa.

Antônio Zayek, Mentor des ANDUS-Projekts und verantwortlich für die Beratung, freut sich: „Wir haben der Umweltintelligenz der Stadt einen Weg geebnet und die öffentlichen Bediensteten sowie die Menschen allgemein insofern gestärkt, dass sie nun ihre Abwasserprobleme auf der Grundlage des Verständnisses des Ökosystems, in dem sie eingebettet sind, lösen können. Das ist wirklich ein Meilenstein!“

Mit der Verabschiedung der entsprechenden städtischen Gesetzgebung zur Finanzierung dieser Verbesserung in den Häusern der Familien wird es möglich sein, Wege zu finden, um Mittel für die Klärtanks aufzubringen.

Zustimmung

Alto Alegre, eine Nachbarstadt mit etwas über 15.000 Einwohnern, weist eine ähnliche Struktur auf und leidet unter den gleichen Ver- und Entsorgungsproblemen wie Amajari. Um diese Probleme anzugehen, wurde mit Unterstützung des ANDUS-Projekts im Centro Terapêutico Recanto de Davi (CTRD, „Therapeutisches Zentrum Recanto de Davi“) ein Klärtank gebaut. Das CTRD ist eine philanthropische Einrichtung in Roraima, die sich bereits seit fünf Jahren um die Betreuung von Suchtkranken und ihre soziale Eingliederung kümmert.

Wanderley Maia, Beauftragter für Baumaßnahmen, erzählt, dass er jeden Monat etwa tausend Real zur Leerung der im Recanto de Davi bestehenden, etwa fünfzig Personen dienenden Sammelgrube aufzuwenden hatte. „Heute haben wir einen Klärtank und Bananenbäume, die bereits produzieren. Es war ein Segen, in dieses Projekt eingebunden worden zu sein! Wohin ich auch gehe, mache ich Werbung für dieses tolle Projekt“, freut sich Maia.

Zwölf Städte aus allen Regionen Brasiliens und ein Konsortium aus elf Städten des Bundesstaates São Paulo haben zusammen ein Beratungs- und Schulungsprogramm in nachhaltiger Stadtentwicklung wie in Amajari gestartet.

Das ANDUS-Projekt ist eine gemeinsame Initiative des Ministério das Cidades (MCid, „Ministerium für Städte“), des Ministério do Meio Ambiente e Mudança do Clima (MMA, „Ministerium für Umwelt und Klimawandel“) und der deutschen Bundesregierung zur Unterstützung der Stadtplanung in brasilianischen Städten und Gemeinden durch die GIZ Brasilien.

Weiterführende Informationen finden Sie auf der ANDUS-Projektwebsite.

Projekt: Projeto de Apoio à Agenda Nacional de Desenvolvimento Urbano Sustentável no Brasil (ANDUS, „Projekt zur Unterstützung der Nationalen Agenda für nachhaltige Stadtentwicklung in Brasilien“)
Partner: Ministério das Cidades (MCid, „Ministerium für Städte“), Ministério do Meio Ambiente e Mudança do Clima (MMA, „Ministerium für Umwelt und Klimawandel“)
Förderung: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimapolitik (BMWK) im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI)