Von João Gonçalves und dem ProAdapta-Team
Nur wer die Folgen extremer Klimaereignisse bereits aus nächster Nähe erlebt hat, weiß, welche Auswirkungen sie haben können und wie bedeutsam Maßnahmen zur Schadensminimierung sind. Dies ist der Fall für die BewohnerInnen des Berghügels Monte Serrat in der Küstenmetropole Santos, im südlichen Teil des Bundesstaates São Paulo gelegen, der seit jeher unter Erdrutschen leidet.
Der Gemeindevorsteher und Bewohner des Monte Serrat, Arquimedes de Souza, sagt, dass vor allem die Erdrutsche im Jahr 2020 beängstigend waren und dass er bis heute bei jedem Unwetter in Sorge um die Bewohner sei. Damals half er den Betroffenen, einschließlich seiner Schwester und seiner Tante, im Anschluss an das Unglück. Jedoch erinnert er sich auch an ähnliche Erlebnisse aus seiner Kindheit, als sich seine Familie und die ganze Gemeinde gegenseitig nach Erdrutschen unterstützten, so gut es eben ging.
Die Erdrutsche des Jahres 2020, die Arquimedes noch frisch in Erinnerung sind, waren nicht nur die heftigsten der letzten 80 Jahre in Santos, sondern verursachten auch die größten Schäden in der Gemeinde. Die Heftigkeit dieser Ereignisse ist jedoch nur teilweise auf immer intensivere Regenfälle zurückzuführen. Denn gleichzeitig leidet die Gemeinde durch die zunehmende informelle Besiedlung seit vielen Jahren unter einer Verdrängung und Abholzung der einheimischen Vegetation, was langfristig zu einer gefährlichen Destabilisierung des abschüssigen Geländes führt.
In Gebieten wie dem Monte Serrat spielen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel eine Schlüsselrolle bei der Verringerung von Schäden und der Bewältigung sich ändernder klimatischer Gegebenheiten. So ist die Wiederherstellung der Vegetationsdecke als Maßnahme ökosystembasierter Anpassung an den Klimawandel (auf Englisch „ecosystem based adaptation“, abgekürzt „EbA“) in erdrutschgefährdeten Gebieten ein wichtiger Ansatz zur Reduzierung des existierenden Risikos. Durch EbA wird die Fähigkeit von Ökosystemen genutzt, sogenannte Ökosystemleistungen oder „grüne“ Infrastruktur zu erbringen, um Anfälligkeiten zu verringern. Somit kann EbA eine wichtige Ergänzung zu „grauen“ oder konventionellen Infrastrukturmaßnahmen sein.
In Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung von Santos arbeitete das Projekt ProAdapta gemeinsam mit den Bewohnern des Monte Serrat an der Vorbereitung und Umsetzung von EbA-Maßnahmen. Durch Workshops und weitere Aktivitäten wurden die BewohnerInnen für das Thema sensibilisiert. In aktiver Zusammenarbeit wurden kollektiv wirksame Maßnahmen wie die Bepflanzung des Berghügels mit einheimischen und früchtetragenden Baumarten mit tiefem Wurzelwerk in den am stärksten von Erdrutschen bedrohten Gebieten entwickelt. Neben der Befestigung der Hänge bringt dieser Ansatz mehrere positive Nebeneffekte mit sich, wie z. B. die Reduzierung der Sonnenbestrahlung und damit einhergehender Hitze durch den von den Bäumen gespendeten Schatten und durch die Schaffung von Einkommensmöglichkeiten für die Gemeinde durch Obstproduktion. Gleichzeitig trägt der Ansatz zur Verbesserung des Landschaftsbildes bei und bietet unterschiedliche Möglichkeiten der Freizeitgestaltung für die Bevölkerung. Die Aktion hat somit nicht nur zu neuen Bäumen, sondern auch zur Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls in der Gemeinde geführt, das in der von der Bevölkerung ins Leben gerufenen Kampagne „Wir kümmern uns um unseren Hügel!“ gipfelte.
„Was mich antreibt, auf dem Monte Serrat zu wohnen, ist der Wunsch um die Aufforstung der Hänge und das Pflegen der bestehenden Bäume. Zudem können wir die Flächen, das wir hier haben, durch Gemeinschaftsgärten und Obstbäume nutzen (…)!“, sagte Arquimedes.
Neben der Stärkung der lokalen Gemeinschaft dienen die auf dem Monte Serrat geförderten Maßnahmen auch der Förderung der Einkommensmöglichkeiten und der Geschlechtergerechtigkeit. Und dies geht bei weitem über eine gleichberechtigte Teilnahme von Männern und Frauen an den Planungssitzungen hinaus. So war zum Beispiel Cícera Juca de Oliveira Silva, seit dreißig Jahren Bewohnerin des Monte Serrat, für die Organisation der Verpflegung der Workshop-Teilnehmenden verantwortlich. Jeden Tag lief sie den Berg hinunter, um selbstgefertigte Snacks und Süßigkeiten in der Innenstadt von Santos zu verkaufen. Mit der Covid-19-Pandemie musste sie sich jedoch neu erfinden, und die Arbeit, die sie seit mehr als 15 Jahren geleistet hatte, stellte sie auf Auftragsarbeit um: „Es war eine Chance für die Menschen, die hier in der Gemeinde leben. Es gibt hier viele Leute, die sehr gute Produkte herstellen, aber die Leute schauen nach außerhalb, weil sie denken, dass es dort besseres gibt. Ich wünschte, die Menschen würden unsere Produkte mehr schätzen (…)“, sagt Cícera, die selbst in einer Hanglage lebt und deren Schwester bereits von Erdrutschen betroffen war: „2019 war es für meine Schwester sehr schwierig. Sie verlor ihr Haus und ihr gesamtes Hab und Gut. Nun sind auch wir gefährdet, obwohl mein Haus eigentlich sehr sicher ist, weil mein Mann es gebaut hat, und er hat es gut gemacht. Es müsste schon eine Menge Regen fallen, um das Haus zum Einsturz zu bringen! Kann das sein?“
Das Konzept der ökosystembasierten Anpassung (EbA) am Monte Serrat soll über die kommenden Jahre für die Rückkehr der Fauna, den Schutz der Hänge vor Erdrutschen und die Sicherheit der Bevölkerung sorgen. Mit Unterstützung der GIZ Brasilien werden die für den Monte Serrat beschlossenen Maßnahmen bereits in anderen Gemeinden und Stadtteilen mit ähnlichen Herausforderungen entlang der Südküste des Bundesstaates São Paulo nachgeahmt.
Projekt: ProAdapta – Unterstützung der brasilianischen Regierung bei der Umsetzung ihrer nationalen Agenda zur Anpassung an den Klimawandel
Partner: Brasilianisches Umweltministerium (MMA) und Stadtverwaltung von Santos
Auftraggeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)